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Freitag, 13. Juni 2014

Die Krux mit der Kreativität

Kreative sind nicht auf Knopfdruck kreativ. Das ist zwar keine neue Erkenntnis, sollte jedoch hin und wieder ins Gedächtnis gerufen werden, um weiteren Missverständnissen über Kreativität vorzubeugen. Denn oft muss einem erst ein Apfel auf den Kopf fallen, damit es weitergehen kann mit dem Gedankenprozess.


Die besten Ideen kommen einem meistens dann, wenn man gerade nicht allzu angestrengt versucht, kreativ zu sein. Erstaunlicherweise ist das oft im Schlaf der Fall: So puzzelt unser Gehirn in der REM-Phase munter mit vorhandenem Wissen und "mit ins Bett genommenen" offenen Fragen oder Aufgabenstellungen herum – und nicht selten wacht man später mit einer Lösung für ein konkretes Problem auf. Eine wirklich prima Sache, finde ich, und in meinem Fall kommen dabei in aller Regel Slogans, Überschriften oder Texteinstiege heraus. Manchmal überarbeite ich im Schlaf sogar ganze Textpassagen. Kein Witz. Oder aber ich habe eine Idee für ein Kunden-Event. 

Kreative kennen (und nutzen) diese Form der "schöpferischen Schlafarbeit". Nur sollte man das Kunden gegenüber so nicht in der Rechnung deklarieren, möchte man nicht für völlig durchgeknallt gehalten werden. Für kurze Spaziergänge, die man zwischendurch unternimmt, um den Kopf freizubekommen, gilt das Gleiche. Dafür bezahlen Auftraggeber einen nicht. Zumindest nicht in ihrem Verständnis von Dienstleistung, obwohl sie ja letzten Endes dann doch wieder für genau den daraus resultierenden Geistesblitz zahlen. Verrückte Welt. Und wer weiß, vielleicht führe ich eines Tages ja doch einmal einen Besuch im Duisburger Landschaftspark Nord in einer Rechnung auf … Einfach um zu sehen, wie der Kunde darauf reagiert. Jedenfalls ist der Landschaftspark mit seinen von der Natur überwucherten Stahlwerk-Ruinen die Chillout-Strecke meiner Wahl, und wenn ich in meinem Büro gerade mal nicht weiterkomme und etwas frische Luft brauche, hilft das fast immer.



Ein Buch mit sieben Siegeln


Aus neurowissenschaftlicher Sicht ist übrigens nur lächerlich wenig über Kreativität bzw. über das genaue Zustandekommen von Kreativität bekannt. Wie auch, wenn schon das menschliche Gehirn in seiner Gesamtheit immer noch ein Buch mit sieben Siegeln ist und als bis dato komplexeste (un)bekannte Struktur im Universum gilt. Das geht sogar so weit, dass sich gar nicht genau sagen lässt, wie unerforscht unser Oberstübchen eigentlich noch ist. Und Kreativität ist nur ein Teil von dem, was dort millisekündlich so alles passiert.

Klar indes scheint zu sein, dass kreativer Output das Ergebnis eines äußerst komplexen Zusammenspiels unzähliger innerer Vorgänge und stimulierender äußerer Einflüsse ist – und dass es insofern keine sonderlich gute Idee ist, einen Kreativen an einen Arbeitsplatz in einem lärmigen Großraumbüro zu ketten und von ihm zu verlangen, dass er sich jetzt bitteschön sofort etwas total Originelles einfallen lassen soll. So läuft das in aller Regel nicht. 
Schließlich ist es mit der Kreativität ein wenig so wie mit dem Fliegen in Douglas Adams' "Per Anhalter durch die Galaxis": In der ungemein originellen Roman-Serie können Menschen nur dann fliegen, wenn sie über irgendetwas stolpern und im Moment des Hinfallens von etwas anderem dermaßen abgelenkt werden, dass sie gewissermaßen das Hinfallen vergessen und stattdessen abheben. Natürlich nur eine spinnerte Idee eines leider viel zu früh verstorbenen Autors. Aber im Grunde genommen heben auch kreative Ideen auf just diese Weise ab. Nur dass man hierbei immer die Aufgabenstellung im Hinterkopf behält. Was für Kreative kein Problem ist, da sie sowieso nie ganz abschalten können.


Von Äpfeln und Badewannen


Noch sinnfälliger wird die Krux mit der Kreativität am Beispiel Sir Issac Newtons: Der Legende nach ist dem Jahrhundert-Physiker ja beim Nickerchen im Garten ein Apfel auf den Kopf gefallen – und schwupps, plötzlich war die Idee zum Gravitationsgesetz da. Woraus dann später wohl das etwas blödsinnige Sprichwort "Leichte Schläge auf den Hinterkopf erhöhen das Denkvermögen" entstanden ist. Genauso gut könnte man ja auch "Baden erhöht das Denkvermögen" sagen, da Archimedes die Idee zu dem nach ihm benannten Prinzip ja angeblich in der Badewanne gekommen ist.
Wie dem auch sei, so betrachtet ist Kreativität also eher der Auslöser für einen darauf folgenden ausführlicheren gedanklichen Prozess – und nicht unbedingt ein Prozess an sich. Kreativitätsforscher sehen das vermutlich etwas anders, ist mir aber schnuppe, da es mir hier nur um den wichtigsten Aspekt von Kreativität geht: die zündende Idee. Oft kommt sie quasi aus heiterem Himmel und liefert einen neuen Ansatzpunkt oder eine neue Erkenntnis und räumt somit den Weg frei für die weitere gedankliche Arbeit. Der Rest ist dann eigentlich nur noch handwerkliches Können.

Erzwingen lässt sich all das nicht, und kreative Techniken sind zwar eine gute Hilfe, jedoch noch lange kein Garant für kreative Ideen. Es kommt oder es kommt nicht. Umso wichtiger ist es, dass sich Kreative tatsächlich einen gewissen Freiraum schaffen oder einen solchen eingeräumt bekommen. Sonst treten sie auf der Stelle. Ich lege mich dann meistens kurz hin oder unternehme einen kleinen Spaziergang im Duisburger Norden. Und sei es nur zur Entspannung.


P. S. Der großartige John Cleese von der britischen Komikertruppe Monty Python's sieht das alles übrigens ganz ähnlich, wie ein zehnminütiger Clip seines Vortrags auf einer Kreativitätstagung zeigt.


Der Autor: Andreas Quinkert ist PR-Freelancer mit den Schwerpunkten Public Relations, Content Marketing, Corporate Blog und Redaktion. Seit 2004 berät und unterstützt er kleine und mittelständische Unternehmen sowie Agenturen in NRW. Sein PR-Blog wurde Ende 2013 ins Leben gerufen und hat sich seither zu einem wichtigen Seitenprojekt entwickelt.

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