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Mittwoch, 21. Mai 2014

Der Bindestrich, das unbekannte Wesen

Über ein schwindendes Wortzeichen, das uns das Lesen (und Leben) eigentlich leichter machen soll – und wie Google damit umzugehen scheint. Ein Plädoyer für den Bindestrich, den Yeti der Interpunktion. (Anm.: Je nach Browsereinstellung o. ä. kann es sein, dass auf anderen Rechnern etc. die Bindestriche im Text als Gedankenstriche dargestellt werden, was natürlich etwas doof ist. Im "Original" stimmt aber alles.)


Die Regeln der deutschen Sprache sind eine Geschichte voller Missverständnisse und Wissenslücken – und in Zeiten von Suchmaschinenoptimierung (SEO) ist das alles nicht gerade besser geworden. Nehmen wir einfach mal den von mir hochgeschätzten Bindestrich, Typografikern auch als Viertelgeviertstrich bekannt, was alles in allem schon mal ein gutes Zeichen ist. Um mal einen flachen Wortwitz zu machen. Für andere ist der Bindestrich eher eine Art Yeti der Interpunktion, und so taucht er in ihrer (Schreib-)Wirklichkeit meist erst gar nicht auf. 

Wie ich nun wieder darauf komme …? Ganz einfach: Seit geraumer Zeit versuche ich herauszubekommen, ob es in puncto Google-Suchergebnis eigentlich sinnvoll ist, Keywords wie "EU-Sanktionen", "CD-Veröffentlichung" oder "Yeti-Sichtung" auf Internetpräsenzen oder Landingpages mit Bindestrich zu schreiben (also orthografisch richtig) oder mit Leerzeichen (also orthografisch falsch). Hier gehen die Meinungen und jeweiligen Begründungen sehr weit auseinander. Und das bringt einen schon mal auf krause kreative Gedanken. Klar ist allerdings, dass nichts klar ist.


Akut vom Aussterben bedroht


Okay, fast nichts ... Denn eines ist mir bei meinen Recherchen dann doch klargeworden: Der Bindestrich ist im Deutschen infolge der englischen Non-Bindestrich-Schreibweise nicht nur akut vom Aussterben bedroht, sondern seine primäre Funktion wird in bestimmten Kreisen auch leidlich irreführend dargestellt. 

So bin ich gleich auf mehreren SEO-Ratgeberseiten über die zwar nicht falsche, aber dennoch etwas unglückliche Formulierung gestolpert, der Bindestrich diene insbesondere dazu, Wörter zu trennen. Man möge mir den harschen Tonfall verzeihen, aber gerade Menschen mit dem Sprachgefühl eines Treteimers neigen dazu, Erklärungen wie die obige komplett falsch zu interpretieren – und im Zweifelsfall gleich alles wegzulassen, was irgendwie stört oder verwirrt. Zum Beispiel den Bindestrich. Und das passiert leider immer häufiger.
Fakt ist: Selbst wenn der Bindestrich unter anderem dazu verwendet werden kann, allzu lange Komposita wie "Gleichgewichtsdichtegradienten-Zentrifugation" überschaubar zu halten, so trennt er doch immer nur, um etwas zu koppeln (sic!). Und handelt es sich wie bei "PR-Branche" oder "08/15-Texte" um Zusammensetzungen mit (einzelnen) Buchstaben, Ziffern oder Abkürzungen, so muss er sogar verwendet werden.


Was die Truppe zusammenhält


Der Bindestrich ist also in erster Linie dazu da, aus mehreren Wörtern etc. zusammengesetzte Begriffe miteinander zu verbinden – und somit den zum sofortigen Verständnis nötigen Sinnzusammenhang zu erhalten. Dies hat den charmanten Vorteil, dass man manche Sätze nicht zweimal lesen muss, um nachträglich das eigentlich Gemeinte zu entschlüsseln. Indem er also die Lesbarkeit und Sinnhaftigkeit immer neuer Komposita (wofür die deutsche Sprache ja berüchtigt ist) und mithin von ganzen Sätzen gewährleistet, hält der Bindestrich gewissermaßen "die Truppe zusammen". Fehlt er hingegen, wird’s schwerer.

Ein ganz einfaches Beispiel aus einem Imbiss: "Wir haben Falafel Kürbissuppe und Getränke" steht dort auf einem Schild. Hm, was gibt es denn nun dort: Falafel-Kürbissuppe und Getränke oder Falafel, Kürbissuppe und Getränke …? Das bleibt leider nebulös. 

Aber natürlich gibt es da noch ganz andere Kaliber, und wer wie ich regelmäßig mit der IT-Branche zu schaffen hat, hört wohl ebenfalls seine grauen Haare wachsen, wenn er wieder einmal über bindestrichlosen Bandwurmsätzen voller Termini à la "PHP-Programmierung", "Content-Management-System" und "TYPO3-Webshop-Lösung" brütet …


Mit oder ohne Bindestrich googlen?


Um aber zur ursprünglichen SEO-Frage zurückzukommen: Im Falle meiner eigenen Webseite macht es beim Googlen offensichtlich keinerlei Unterschied, ob ich PR-Journalist nun mit Bindestrich (richtig) oder mit Leerzeichen (falsch) schreibe. Jedenfalls taucht diese so oder so bundesweit unter den ersten drei Suchergebnissen auf. Das ist prima und verleitet mich zu der (möglicherweise irrigen?) Annahme, dass es Google am Ende völlig schnuppe ist, ob ich per Bindestrich gekoppelte Komposita nun mit oder ohne eingebe. Andersrum gesehen könnte es sogar von Vorteil sein, wenn man Keywords, die nicht zwingend einen Bindestrich benötigen, extra trennt/koppelt, um die Chancen aufs Gefundenwerden zu erhöhen. Als Duisburger fällt mir da "Hafen-Rundfahrt" statt "Hafenrundfahrt" ein.
Wie dem auch sei, jedenfalls werden mich auch in Zukunft keine zehn Pferde dazu bringen, meine Web-Texte aus vagen SEO-Gründen in fehlerhaftem Deutsch zu verfassen. Wozu auch? Immerhin schreiben wir Texter, Journalisten und PR-Leute zuallererst für Menschen – und nicht für Suchmaschinen. Und die sprachlich anspruchsvollere Minorität innerhalb der jeweils anvisierten Zielgruppe legt ja auch durchaus Wert auf einwandfreie Texte und findet es eher unsexy, jeden Satz zunächst einmal mühsam enträtseln zu müssen. Ich weiß das, ich gehöre dazu.

In diesem Sinne: Es lebe der Bindestrich!

P. S. Hier kann man's übrigens üben.



Der Autor: Andreas Quinkert ist PR-Freelancer mit den Schwerpunkten Public Relations, Content Marketing, Corporate Blog und Redaktion. Seit 2004 berät und unterstützt er kleine und mittelständische Unternehmen sowie Agenturen in NRW. Sein PR-Blog wurde Ende 2013 ins Leben gerufen und hat sich seither zu einem wichtigen Seitenprojekt entwickelt.

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