Wenn sich Auftraggeber zu sehr in den kreativen Prozess ihrer Dienstleister einmischen, kommt meist nichts Gutes dabei raus. Dieses Problem scheint heute größer zu sein denn je, da durch die Möglichkeiten des Web 2.0 die Grenzen zwischen professionellen und unprofessionellen Leistungen mehr und mehr verwischen. Zumindest in der Wahrnehmung. Auch Teilbereiche der Unternehmenskommunikation leiden zunehmend darunter.
Vor einigen Monaten hat mir mein guter Freund und Kollege Helmut W. eine kleine Geschichte aus den frühen 1990ern erzählt, und ich finde, daraus kann man auch heute noch viel lernen. Er war damals Mitte 20 und hatte sich im Rheinland bereits einen Namen als findiger Werbetexter gemacht. Einige seiner Slogans aus dieser Zeit sind Menschen meines Alters immer noch geläufig.
Dieses Mal hatte er einen längeren Werbetext für ein Unternehmen aus der Region verfasst und das Ergebnis soeben dem Inhaber präsentiert. Anschließend saß man meistens noch dabei und gab sich Mühe, einen ganz und gar selbstsicheren und entspannten Eindruck zu machen, während der Kunde die frisch aus der Schreibmaschine gekurbelten Seiten studierte. Tausend Dinge schießen einem da durch den Kopf: Wie mag die Reaktion des Kunden ausfallen? Ist er begeistert, oder zerreißt er den Entwurf in der Luft? Welche Verteidigungslinie nehme ich gegebenenfalls ein? Atme ich gerade etwa zu laut …?
"Hm, hm", sagte der Unternehmer schließlich, nachdem er alles noch einmal gelesen hatte, "das gefällt mir schon mal ganz gut." Aber er werde den Text seiner Tochter zur Überprüfung vorlegen – da sie Gymnasiastin mit Deutsch-Leistungskurs sei, solle sie entscheiden, ob er angenommen werde oder nicht. Helmut W. fragte daraufhin höflich nach, ob das denn nun wirklich sein voller Ernst sei, und als sein Gegenüber eben dies bestätigte, nahm er die Texte wieder an sich, verabschiedete sich nicht minder höflich vom Kunden und verließ den Raum. Kurzum, er schmiss von sich aus den Auftrag.
Lieber ein Ende mit Schrecken …
Nun mag man von einer solchen Reaktion halten, was man will – ich für meinen Teil kann sie sehr gut nachvollziehen. Und bevor Missverständnisse aufkommen: Hier geht es keineswegs um verletzte Eitelkeit, Arroganz oder gar Wut. Sondern um eine im Kern sehr professionelle Einstellung und konsequentes unternehmerisches Handeln im Sinne beider Seiten. Zumal so auf zugegebenermaßen sehr strikte Art und Weise aufgezeigt wird, von welchem Punkt an keinerlei Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit (mehr) gegeben ist. Klar ist: Hin und wieder ist es tatsächlich besser, die Notbremse zu ziehen.
In meinen eigenen Geschichten dieser Art kommen zumeist Lehrerinnen aus dem Bekanntenkreis des Kunden und Entscheider vor, die schon mal VHS-Kurse über "Kreatives Schreiben" oder etwas in der Richtung besucht haben. Und in einem Fall musste ich sogar die bis dahin sehr gute und freundschaftliche Zusammenarbeit mit einer kleinen Agentur beenden, da ich mit einem Mal immer öfter in ausgesprochen mühselige Diskussionen darüber verstrickt wurde, ob meine Texte dem Genüge tun, was die Chefin zwei oder drei Jahrzehnte zuvor im Deutschunterricht gelernt hatte.
Zielführend ist das nicht. Denn es kostet nicht nur Zeit und Nerven, sondern es führt erfahrungsgemäß zu suboptimalen Ergebnissen, wenn man seine Texte nach Maßgabe eines Laien umschreiben muss. Sprich: aus "politischen Gründen" alles über den Haufen schmeißt, was man sich zuvor als Experte in seinem Fachgebiet an Wissen und Skills angeeignet hat. Dem jeweiligen Kunden und seiner Zielgruppe tut man damit letztlich keinen Gefallen.
Vertrauen in Expertise und Erfahrung
Das Problem ist, dass bei kreativen Leistungen mittlerweile alle "Bundestrainer" sind. Heute mehr denn je, da einem die Selbstentfaltungsmöglichkeiten im Web 2.0 eben dies vorgaukeln. Dagegen ist zunächst ja auch nichts einzuwenden – Fakt jedoch ist und bleibt: Nur maximal fünf Prozent aller Menschen sind passable Autoren, Grafiker, Fotografen etc. Und wenn man die Suche auf gut ausgebildete Kreative mit einigen Jahren Berufserfahrung einschränkt, dürfte man bei etwa einem Prozent landen. Grobe Schätzung.
Bei Weitem nicht jeder hat also ein Händchen fürs Texten, Designen und Fotografieren auf dem für die professionelle Unternehmenskommunikation erforderlichen Niveau. Geschweige denn die Erfahrung. Leider nur ist das Bewusstsein dafür in den vergangenen Jahren schneller geschwunden als das Eis der Grönlandgletscher. Und aus den oben genannten Gründen ist das eher schlecht.
Soll heißen: Die Durchschlagskraft kreativer Leistungen steht und fällt mit dem Vertrauen in die Expertise des beauftragten Dienstleisters. Daher sollten sich Auftraggeber in der Korrekturphase auf rein inhaltliche Aspekte beschränken. Tun sie das nicht, stinkt der Fisch vom Kopfe her, und man sollte vielleicht besser getrennte Wege gehen. Um also mal wieder Tacheles zu reden: Laien können mit Profis nicht auf Augenhöhe über deren Fachgebiet diskutieren. Muss einem nicht gefallen, ist aber so.
Einem Kunden gegenüber habe ich das mal wie folgt ausgedrückt: "Am Ende des Tages ist es eigentlich völlig egal, ob Ihnen der Text gefällt – in erster Linie muss er gut bei Ihrer Zielgruppe ankommen. Eben dafür zu sorgen, das ist mein Job." Ich habe allerdings keinen Schimmer, ob seine Tochter ihn später noch mal gegengecheckt hat. Falls ja, so hat er ihr wohl gefallen, denn der Text steht immer noch auf seiner Webseite.
Der Autor: Andreas Quinkert ist PR-Freelancer mit den Schwerpunkten Public Relations, Content Marketing, Corporate Blog und Redaktion. Seit 2004 berät und unterstützt er kleine und mittelständische Unternehmen sowie Agenturen in NRW. Sein PR-Blog wurde Ende 2013 ins Leben gerufen und hat sich seither zu einem wichtigen Seitenprojekt entwickelt.
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