Mittwoch, 14. Mai 2014

Von Sprache, Texten und Lehmhütten

Wer wissen möchte, warum die Unternehmenskommunikation gut daran tut, an ihren neuralgischen Punkten auf professionelle Texte zu setzen, der möge sich fünf Minuten Zeit für diesen ... äh, kleinen Rant nehmen. Dann erfährt er auch, warum ausführliche Briefings unverzichtbar sind – und weshalb da eigentlich "Lehmhütten" in der Überschrift steht.


Die menschliche Sprache ist ein hochkomplexes System aus Zeichen, Bedeutungen und Regeln, und alleine das Erlernen der Umgangssprache im Rahmen der kindlichen Entwicklung dauert fünf bis sechs Jahre. Indes, damit ist die "Lehrzeit" noch lange nicht abgeschlossen. Denn bis auch die geschriebene Sprache halbwegs "sitzt", gehen noch einmal gut und gerne zehn weitere Jahre ins Land. Keine noch so extensive (berufliche) Ausbildung nimmt mehr Zeit in Anspruch als der allmähliche Erwerb der Fähigkeit, weitgehend einwandfrei – und idealerweise eindeutig und unmissverständlich – verbal und schriftlich miteinander kommunizieren zu können. 
Letztlich beruht eben darauf unser gesamter Erfolg als Gattung Mensch. Denn ohne diese Skills wären wir überhaupt nicht in der Lage, die Gesamtheit unserer sozialen, gesellschaftlichen, politischen, wissenschaftlichen und ökonomischen Beziehungen effizient zu organisieren. Oder genauer: wären es niemals gewesen. Ohne Schriftsprache würden Sie also erstens diesen Blogbeitrag nicht lesen können (unter anderem, weil er nicht hätte geschrieben werden können), und zweitens würden Sie jetzt im Moment bestenfalls in einem eher schlichten und ziemlich zugigen Flachbau aus Lehmziegeln und Holz hocken und sich angesichts dieses verregneten, viel zu kühlen Maiwetters mächtig den Arsch abfrieren.


Im Anfang war das Wort – und weiter …?


All das ist zugegebenermaßen nichts Neues. Zumindest für diejenigen nicht, die sich über solcherlei Zusammenhänge gelegentlich Gedanken machen (oder meinen Blogbeitrag über Rechtschreibung gelesen haben). Manchmal habe ich jedoch den Eindruck, dass dies heute leider nur selten der Fall ist. Deswegen rufe ich dann immer wieder mal gerne die fundamentale Bedeutung der Sprache für ALLES in Erinnerung oder verweise kryptisch auf den allerersten Satz im Alten Testament. "Im Anfang war das Wort" steht da, und das war ja in der Tat schon mal ein ganz guter Anfang. 

Allerdings auch nicht mehr als das. So ist insbesondere in der Unternehmenskommunikation weit mehr als das bloße Rüstzeug gefragt. Und zwar immer schon. Dies wird heute leider komplett unterschätzt. Vermutlich weil die interaktiven Möglichkeiten des Web 2.0 die Leute dazu verleiten, ihre eigenen "schreiberischen" Fähigkeiten völlig zu überschätzen und plötzlich jeder jeden für einen Autor hält.

Aber wie dem auch sei  dass es für den aus meiner Sicht himmelweiten Unterschied zwischen professioneller Schreibe und amateurhaftem Rumgeschreibsel (pardon!) zunehmend an Bewusstsein mangelt, springt mir stets dann ins Auge, wenn mich ein Auftraggeber darum bittet, "mal eben schnell was zu texten". Etwa eine Webseite, Broschüre oder Pressemitteilung – vorzugsweise auf Basis einer halben Word-Seite mehr oder minder klarer Informationen und ohne zusätzliches Briefing. Schließlich ist Zeit ja Geld.


Schlechte Liebesbriefe schreiben kann jeder


Nun, klar kann ich das. Immerhin habe ich in den langen, entbehrungsreichen Jahren meiner Kindheit und Jugend mühsam gelernt, einigermaßen fehlerfrei zu schreiben. Und irgendwas schreiben geht immer. Fragt sich halt nur, was es dem Auftraggeber am Ende bringt, lasse ich mich dabei auf dessen irrige Annahme ein, dass das Texten fürs Marketing ebenso trivial ist wie das Verfassen von Einkaufszetteln, albernen Statusmeldungen bei Facebook oder schlechten Liebesbriefen. 

Das ist es nämlich nicht. Jedenfalls genau dann nicht, wenn die externe Kommunikation kein obligatorisches Beiwerk ist, sondern an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Öffentlichkeit den unternehmerischen Erfolg beflügeln soll. Neben der oben erwähnten "Grundausbildung" gehört dazu jede Menge Know-how und Erfahrung in den Bereichen Marketing und Public Relations – und insofern auch der durchaus mal etwas kritischere direkte Austausch mit dem Auftraggeber. Vor Ort in seinem Unternehmen oder, falls das aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist, wenigstens via Telefonkonferenz.

Denn Fakt ist: In der Unternehmenskommunikation hängen Qualität und Erfolg redaktioneller Leistungen in erheblichem Maße von der Fülle und Güte der bereitgestellten und zusätzlich per Briefing ermittelten Informationen ab. Wenn man so will, steht heute also das Briefing am Anfang. Und, darauf basierend, die richtige strategische Entscheidung für die redaktionelle Umsetzung. Sonst kommt nichts wirklich Gutes dabei raus.


Glück alleine rockt noch keine Webseite


Nehmen wir zur Veranschaulichung wieder mal die neue Unternehmenswebseite: Wird diese mit 08/15-Text "aufgeschüttet", so rankt sie mit etwas Glück vielleicht zwar ganz ordentlich in der lokalen Suche bei Google – falls man zufälligerweise die richtigen Keywords erwischt und Tasks wie Textaufbau, Textlänge und Metadaten berücksichtigt hat. Aber Google ist nicht die Zielgruppe
Will ein Unternehmen seine Kunden, Partner etc. erreichen, von sich überzeugen und dauerhaft an sich binden (wofür sehr viele gute Gründe sprechen), so müssen – gerade in Zeiten von Content Marketing – ganz andere Geschütze aufgefahren werden. Hoch- und mehrwertige Inhalte auf allen Kanälen sind hier ein Muss. Und zuvorderst auf der eigenen Webseite als Dreh- und Angelpunkt der Zielgruppenansprache gilt es dabei, so wichtige Parameter wie Alleinstellungsmerkmale, Kernkompetenzen und Kundennutzen sauber, verständlich und sprachlich elegant herauszuarbeiten. Nur so geben sich Unternehmen ein unverwechselbares Profil und bleiben der Zielgruppe langfristig im Gedächtnis haften. Und eben darum geht es ja.

Aber ebensolche Texte schüttelt, Sie ahnen es längst, niemand einfach so aus dem Ärmel. Dazu braucht es den intensiven Dialog zwischen Auftraggeber und Dienstleister – und viel Können und Kreativität. Nur dann kann der jeweilige Output auch strategisch passgenau mit der Corporate Identity (und speziell der Corporate Communication) verfugt werden. Andernfalls verhält es sich mit dem Ergebnis später so wie mit den Flachbauten aus Lehm und Holz: Es zieht an allen Ecken und Kanten und regnet rein.


Der Autor: Andreas Quinkert ist PR-Freelancer mit den Schwerpunkten Public Relations, Content Marketing, Corporate Blog und Redaktion. Seit 2004 berät und unterstützt er kleine und mittelständische Unternehmen sowie Agenturen in NRW. Sein PR-Blog wurde Ende 2013 ins Leben gerufen und hat sich seither zu einem wichtigen Seitenprojekt entwickelt.

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